Ein Abend mit Mary und warum die Bildmarke der Deutschen Bank genial ist.

Einfachheit ist nicht kinderleicht, Abstraktion ist eine Kunst.

Wenn Sie mitmachen wollen, sollten Sie ein Blatt Papier an Ihren Rechner heften, sodass Sie die Bilder nicht sehen können oder Sie lassen sich den Text von jemandem vorlesen.

 

Im ersten Schritt bat ich Mary, das Bildelement des Logos der Deutschen Bank aus der Erinnerung zu zeichnen. Nun, sie konnte sich gar nicht bewusst erinnern. Also nahm ich einen Kugelschreiber und zeichnete es mit einem einfachen, dünnen Strich. Dann bat ich sie, dieselbe Form mit viel dickerem Strich (wie mit Balken) zu zeichnen.

 

Ich wartete gespannt – 3 Sekunden:

Und das hat sie rechts im Bild daraus gemacht. Sehr gut. Sie hat instinktiv eine symmetrische Form gezeichnet – ohne zu überlegen oder zu zögern. Es ist das, was ihr spontan einfiel.

 

Man sagt, das ästhetische Empfinden des Menschen strebt Symmetrie an.

 

 

 

Um es nochmal genauer zu zeigen:
Die grüne, gestrichelte Linie ist die Achse, an der beide Hälften symmetrisch gespiegelt werden.

Und übrigens:
Diese Linie symbolisiert eine positiv aufsteigende Kurve in einem Diagramm. Sie drückt also symbolisch Gewinn und Zuwachs bzw. Aufstieg aus. Dazu kommen wir später noch einmal.

 

Nun habe ich ihr gesagt, dass jede Ecke, jeder Winkel, der nicht unbedingt sein muss, wegfallen soll. Zum Zwecke der möglichst einfachen, stark reduzierten Form.

 

Dass sie also die Enden des Balkens irgendwie verändern soll. Ich habe nichts weiter vorgegeben, weil es so für mich selbst  spannender blieb.

 

 

 

Sie sehen es im Bild, sie hat von der Diagonalen die Ecke links unten in die Form reingeklappt – und plötzlich entsteht ein Pfeil. Wie kreativ! Darauf wäre ich nicht gekommen. Ich kenne ja auch das Ergebnis...

 

Ich nahm mir vor, öfter mal mit einer „Fachfremden“ wie Mary zu fachsimpeln. – Natürlich ergibt sich ein solcher Austausch auch in Gestaltungsprozessen mit Kunden, die nicht aus einer ähnlichen Branche kommen. Und das kennen Sie bestimmt: Stets lernen beide Seiten.

 

Im grün umrandeten Scribble habe ich nun das Ziel verdeutlicht: ein (dicker) Strich mit glatten Enden statt mit Spitzen.

Hier sehen Sie zwei Varianten: Die orangene ist weniger steil aufsteigend als das Original: Dieses ist besser, denn je steiler, desto positiver.

Selbst ohne von Aktienkursen zu wissen, wirken aufsteigende Linien unbewusst positiv auf uns, hingegen im Bild von links nach rechts fallende Linien schwer und negativ.

(Daher sollte die Leserichtung gestürzter Schriftzüge auch aufwärts gerichtet sein.)

Daher finde ich dieses Logo genial: Es ist so einfach, so abstrakt, so positiv und so passend. Und Blau steht übrigens für Seriosität. Doch hier ging es mir um die Form.

 

Das Logo zeigt, dass das Einfache nicht leicht ist oder schnell gemacht, sondern konstruiert und ausgeklügelt wurde.

Und wissen Sie was? Es ist von 1974. Also auch noch schön zeitlos. Je abstrakter ein Logo ist, desto weniger trendy kann es sein. Ein Logo, das so bleiben darf.